Tausend Träume


das erste Buch über die Musik von Udo Jürgens

Leseproben


Siebzehn Jahr‘, blondes Haar (1965)

›Merci, Chérie‹ ist der einzige Grand-Prix-Titel von Udo Jürgens, der dauerhaft zum Hit geworden ist. Weder ›Warum nur, warum‹ noch ›Sag ihr, ich lass‘ sie grüßen‹, obwohl bis heute in Konzerten gespielt, haben diesen Status erlangt. Zu fern gerückt ist den nach-68er Generationen die Welt, die musikalisch aus diesen Liedern spricht. ›Warum nur, warum‹ gar ist mit seinem existentiellen Ernst von den meisten ernsten nach-68er Liedern von Udo Jürgens durch eine tiefe Kluft geschieden. Es gibt allerdings ein zweites Vogue-Lied, das weithin bekannt und populär geblieben ist: ›Siebzehn Jahr‘, blondes Haar‹, schon 1965 erschienen und im Jahr darauf mit dem Goldenen Löwen von Radio Luxemburg ausgezeichnet, ohne daß diese Tatsache im geringsten die Langlebigkeit des Titels mit dem stampfenden Tamla-Motown-Rhythmus erklärte. Was aber hat das Lied dann zum Evergreen gemacht? Sicher das unbeschwert Positive der hoffnungsfrohen Geschichte eines frisch Verliebten mit Aussicht auf Liebe, mehr noch die Melodik, die nichts Billiges hat und das Positive in unwiderstehlicher Weise ausstrahlt. (Was das Lied auf der Ebene des Sprechens den Lauten der beiden Wörter ›siebzehn‹ und ›blond‹ verdankt, hat Jürgens selbst ausgeführt. Doch war die Titelzeile zweifellos auch für die kompositorische Inspiration von Bedeutung. Undenkbar, daß Jürgens zu einem Text mit der Zeile ›Achtzehn Jahr‘, schwarzes Haar‹ dieselbe Musik geschrieben hätte!) Vor allem aber blickt dieses Lied, ein musikalischer Januskopf, auch nach vorn und wendet somit auch uns ein Angesicht zu. War ›Merci, Chérie‹ dem Gehalt nach das erste nach-68er Lied von Udo Jürgens, so stand ›Siebzehn Jahr‘, blondes Haar‹ auf der Schwelle. Es hat nicht mehr das Existentielle der ›eigentlichen‹ Vogue-Lieder und hat noch nicht das Erfüllte, Erwachsene, Warme der Ariola-Lieder.

Jürgens hat die »Euphorie«, die »grenzenlose, beinah trunkene Freude« geschildert, die er und Textkoautor Thomas Hörbiger beim ersten Anhören der fertiggestellten Aufnahme empfanden. Die Euphorie war berechtigt. Die Aufnahme ist heute so frisch wie vor vierzig Jahren: sängerisch vielleicht die makelloseste, die Jürgens für Vogue gemacht hat, aufs Tremolieren schon ganz verzichtend und in puncto Geschmack über jede Kritik erhaben ‑ man höre das »ah, ah« des jeweils vierten Strophenverses!